Tschetschenien ist eine autonome Republik im Süden Russlands und gehört zum Föderationskreis Nordkaukasus. Mit einer Fläche von 15.647 km² hat das Land etwa die Größe Thüringens, verfügt jedoch über eine geringere Bevölkerungszahl, die zum 1. Januar 2018 bei 1.43 Millionen lag. Bei der indigenen Bevölkerung handelt es sich um einen autochthonen Bergstamm des Nordkaukasus, der bereits lange vor Beginn der Aufzeichnungen in der Region ansässig war. Durch eine enge ethnische wie sprachliche Verwandtschaft sind die Tschetschenen mit den Inguschen und den im georgischen Pankissi-Tal lebenden Kistinen verbunden, mit welchen sie gemeinsam die Gruppe der Wainachen bilden.
In Deutschland ist die ereignisreiche Geschichte der Tschetschenen, die neben kriegerischen Konflikten auch deren Deportation umfasst, kaum bekannt. Dies begann sich erst durch den separatistischen Konflikt mit Moskau (1994-2009) zu ändern, als die Tschetschenen versuchten, sich infolge des sowjetischen Zerfalls vollumfänglich vom russischen Zentralstaat zu emanzipieren, wofür sie in den russischen Medien pauschal als kriminelle, islamische Fanatiker diffamiert wurden.
Durch den Beginn des Zweiten Tschetschenienkrieges verloren in den frühen 2000er Jahren tausende Tschetschenen endgültig ihre Heimat, woraufhin erstmals eine größere Zahl von Flüchtlingen nach Deutschland gelangte. Das Jahr 2013 markiert dann den Beginn einer weiteren Migrationsbewegung in die Bundesrepublik, die im September 2015 zusätzlich verstärkt wurde.
Heute stehen Staat und Gesellschaft vor der Herausforderung, mit der Anwesenheit von Geflüchteten aus Tschetschenien umzugehen. Im Rahmen ihrer Integration geht es darum, Familien den Anschluss an die hiesige Zivilgesellschaft zu ermöglichen, Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklung zu unterstützen, ihnen Orientierungshilfe zu geben und zu versuchen, die Traumata von Krieg und Gewalt zu lindern. Diese Aufgabe ist freilich nicht einfach. Neben Unterschieden in der Mentalität und dem traditionellen Brauchtum spielt dabei vor allem der Islam eine Rolle.
Zusätzlich verkompliziert wird die Integrationsarbeit meist dadurch, dass es nicht selten schwierig ist, einen Zugang zu den Menschen zu erhalten und eine vertrauensvolle Beziehung zu entwickeln. Die Tatsache, dass die Schutzquote von Menschen aus Tschetschenen insgesamt gering ausfällt und somit kaum Aussichten auf eine dauerhafte Bleibeperspektive bestehen, erweist sich besonders für Familien als problematisch. Zudem hat die Erfahrung gezeigt, dass eine kleine Gruppe der Geflüchteten aus Tschetschenien in Deutschland kriminell geworden ist. Obwohl es sich dabei ausdrücklich um EINE MINDERHEIT handelt, zeigen sich die Sicherheitsbehörden über deren Potential überaus besorgt.
Bei der Aufgabe, den Bedürfnissen der Geflüchteten gerecht zu werden und gleichzeitig entschieden gegen Kriminelle vorzugehen, muss der Staat aber auch dafür sorgen, den alten, in Russland tradierten Stereotypen entgegenzuwirken, welche die Reputation der Tschetschenen stark beschädigt haben. Dabei gilt es, deutlich zu machen, dass Menschen aus Tschetschenien keineswegs krimineller sind als andere Bevölkerungsteile, sondern bis heute unter den Folgen einer überwiegend negativen Reputation leiden.