Die seit 2015 anhaltende Migration aus Tschetschenien hat das Land Brandenburg in verschiedener Hinsicht an die Belastungsgrenze geführt. Dass Tschetschenen nicht selten besonders große Probleme damit haben, sich in den Alltag deutscher Asylunterkünfte einzufügen, ist bekannt.
In Brandenburg hat diese Erkenntnis dazu geführt, dass mehrere Landkreise ihre Zusage gegenüber Potsdam zurückgezogen haben, Tschetschenen aus der Erstaufnahmeeinrichtung Eisenhüttenstadt aufzunehmen, wo diese in der Vergangenheit durch Gewalt und religiösen Fanatismus aufgefallen waren. Besonders schwer wiegt zudem die Erkenntnis, dass Tschetschenen die islamistische Szene des Landes übernommen haben.
Dieser Befund, der dem Brandenburger Landesamt für Verfassungsschutz große Sorgen bereitet, führt zu zwei Erkenntnissen, ohne die eine Lösung des Problems nicht gelingen kann. Erstens, dass die Qualität der von Islamisten ausgehenden Bedrohung nicht zwangsläufig von deren Anzahl abhängen muss. Und zweitens, dass Migration sehr wohl negative Effekte auf die innere Sicherheit in Deutschland haben kann.
Zuwanderung aus Tschetschenien
Dass die Migration aus Tschetschenien trotz ihrer Brisanz bis heute anhält, ist eine Tatsache, die man dem aktuellen „Bericht zu Migration und Integration im Land Brandenburg“ entnehmen kann. Ihm zufolge zählte die Russische Föderation nach Syrien bereits im September 2015 zu den Hauptherkunftsländern von Migranten. Daran änderte sich auch in der Folgezeit nichts. Russland verblieb auf dem zweiten Platz, weil zwischen bis zum 31. Dezember 2016 insgesamt 9.751 seiner Bürger eingereist waren.
Im Jahr 2016 hatte die Zuwanderung aus der Russischen Föderation einen rasanten Aufschwung erlebt. Waren am 31. Dezember 2015 lediglich 2.936 russische Staatsbürger in Brandenburg untergebracht, betrug deren Anzahl ein Jahr später bereits 9.751; bis August 2017 sank dieser Wert schließlich auf 9.733. Dies entspricht in Hinblick auf die Herkunftsländer der Einwanderer einem Anteil von neun Prozent. Nur die Syrer, deren Wert bei 14 Prozent liegt, sind gegenwärtig noch zahlreicher.
Wie im gesamten Bundesgebiet zeichnet sich auch die Migration nach Brandenburg durch einen überproportional hohen Männeranteil aus. Im August 2017 waren insgesamt 66 Prozent der Migranten männlichen Geschlechts, die größte Gruppe von ihnen bestand aus Personen der Altersgruppe von 25 bis 35.
Die Entwicklung der Asylantragsstellungen
Die große Dynamik, der die Migration aus Tschetschenien unterliegt, kann man auch anhand der Anzahl gestellter Asylanträge nachvollziehen. Hatten 2015 insgesamt 1.585 Bürger der Russischen Föderation im Land Brandenburg um Asyl ersucht, waren es 2016 bereits 2.764. Erhellend ist, dass die Mehrheit der in Brandenburg lebenden Bürger Russlands Asylsuchende sind. Lediglich 34 von ihnen erhielten 2016 die deutsche Staatsbürgerschaft, im Vorjahr waren es hingegen noch 67 gewesen.
Interessant ist, dass trotz dieser moderaten Verringerung der Zuwanderung aus der Russischen Föderation 2017 kaum noch Asylanträge durch deren Bürger gestellt wurden. Hatte Russland 2016 noch auf Platz 3 der Länder mit den häufigsten Antragsstellern gestanden, waren im August 2017 lediglich 59 Verfahren aktenkundig. Dass Tschetschenen in Brandenburg trotzdem überaus gute Chancen haben, auf Landsleute zu treffen, hängt damit zusammen, dass russische Staatsbürger 2016 mit 19.000 Personen und einem Anteil von 13 Prozent die zweitgrößte Migrantengruppe des Landes repräsentierten.
Migration von Familien
Dies hatte im Februar 2017 auch die Landesregierung in einer Antwort auf eine Schriftliche Anfrage bestätigt. Ihr zufolge gab es 2016 eine Vielzahl von Fällen, in denen ganze Familien aus Tschetschenien Asylanträge gestellt hatten. Da sich dieser Umstand jedoch nicht begünstigend auf die äußerst geringe Schutzquote der Tschetschenen auswirkt – jene lag 2016 lediglich bei 4,3 Prozent – überrascht es nicht, dass die Ausländerbehörde damals insgesamt 22 Familien mit 99 Personen aus Erstaufnahmeeinrichtungen nach Polen zurückschob.
Dabei handelt es sich um eine Praxis, die die Landesregierung aufgrund des sog. Drehtüreffekts für wirkungslos hält. Ausgewiesene Personen kehren demnach bereits nach kurzer Zeit zurück. In diesem Zusammenhang wies Innenminister Schröter am 30. März 2017 auf einer Sitzung des Ausschusses für Inneres und Kommunales darauf hin, dass zur Rückführung nach Polen vorgesehene Familien nicht selten untertauchten, um sich der Maßnahme zu entziehen.
Tschetschenische Islamisten
Man kann feststellen, dass Tschetschenen zwar für die zweitgrößte Migration nach Brandenburg verantwortlich sind, deren numerische Dimension jedoch überschaubar bleibt. Dies führt zu jener Erkenntnis, die bereits eingangs formuliert worden ist und sich in folgender Formel fassen lässt: Die Brisanz tschetschenischer Migration hat nichts mit ihrer Größenordnung zu tun.
Warum aber gelten Tschetschenen in Brandenburg trotzdem als gefährlichste Zuwanderergruppe? Die Antwort findet sich im aktuellen Landesverfassungsschutzbericht. Dort heißt es: „Der islamistische Extremismus in Brandenburg ist vorwiegend durch Migranten aus dem Nordkaukasus geprägt […] Unter diesen Nordkaukasiern sind Anhänger des Kaukasischen Emirates (KE), einer terroristischen Organisation im Nordkaukasus, die vor Ort einen unabhängigen Gottesstaat anstrebt […] Deutschland wird als Ruhe- und Rückzugsraum genutzt.“
Hohe Gewaltbereitschaft
Dass es sich bei den „Nordkaukasiern“ in Wahrheit um Tschetschenen handelt, ergibt sich aus einem Bericht des Brandenburgischen Innenministeriums vom 30. März 2017. Darin wird die hohe Gewaltbereitschaft der Nordkaukasier mit deren Bürgerkriegserfahrungen erklärt. Da es nach dem Zerfall der UdSSR außer in Tschetschenien jedoch nirgendwo sonst im Nordkaukasus dauerhaft zu kriegerischen Konflikten kam, kann es sich hier nur um Tschetschenen handeln.
Obwohl in Brandenburg gegenwärtig nur 100 Personen als islamistische Extremisten gelten, warnt der Verfassungsschutz davor, die von ihnen ausgehende Gefahr zu unterschätzen. In Hinblick auf die Tschetschenen stellt die Behörde zudem noch eine zweite Besonderheit heraus: „Beachtung kommt den zum Ende 2016 mehr als 5.000 in Brandenburg schutzsuchenden tschetschenischen Flüchtlingen zu. Hier muss von einer nicht unerheblichen Zahl angeblicher Flüchtlinge ausgegangen werden, die tschetschenische Regimekritiker ausspähen sollen und die so gewonnenen Informationen russischen Geheimdiensten zur Verfügung stellen.“
Es wird deutlich, dass das Milieu tschetschenischer Migranten offenbar in zweifacher Hinsicht von Personen unterwandert ist, die die deutsche Asylgesetzgebung missbrauchen – zum einen von Islamisten, zum anderen von Agenten des russischen Geheimdienstes.
Höchste Sicherheitsstufe
Man darf annehmen, dass es den Sicherheitsbehörden aufgrund dieser diffizilen Situation besonders schwerfällt, die Aktivitäten von Islamisten rechtzeitig zu erkennen. Dass das Brandenburgische Innenministerium dieses Thema indes längst als Chefsache behandelt, kann man daran erkennen, dass mittlerweile nur noch in der Parlamentarischen Kontrollkommission bzw. der G10-Kommission des Bundestages, nicht aber in Sitzungen des Innenausschusses unter Ausschluss der Öffentlichkeit, berichtet wird.
Um sich dennoch einen Eindruck von den gegenwärtigen Verhältnisse zu verschaffen, kann man ein Schreiben von Innenminister Schröter an den Vorsitzenden des Innenausschusses vom 13. Februar 2017 heranziehen. Darin ist zu lesen, dass dem Phänomenbereich des islamistischen Extremismus in Brandenburg rund 80 Personen zugerechnet würden, unter jenen nur sehr wenige Deutsche und Konvertiten. Besonders brisant ist die Aussage des Ministers, der zufolge etwa 50 Prozent von ihnen aus dem Kaukasus stammen und die Anzahl von Rückkehrern aus den Bürgerkriegsgebieten des Nahen Ostens gestiegen war.
Vorreiterrolle von Migranten
Schröters Schreiben erweist sich aber auch in anderer Hinsicht als aufschlussreich. Der Brief des Ministers enthält nämlich Informationen über den aufenthaltsrechtlichen Status aktenkundiger Islamisten. Dazu heißt es, dass von den genannten 80 Personen knapp 20 Prozent über eine Duldung, 40 Prozent über eine Aufenthaltsgestattung und 30 Prozent über eine Aufenthaltserlaubnis verfügten, während etwa 5 Prozent eine solche beantragt hätten. Durch diese Aussage findet schließlich auch die zweite, zu Beginn dieses Beitrags geteilte Erkenntnis Bestätigung, die gleichzeitig auch eine bittere Wahrheit beinhaltet. Sie besagt, dass etwa 95 Prozent der islamistischen Extremisten in Brandenburg Migranten sind.
Die zentrale Bedeutung der Tschetschenen für das islamistische Milieu Brandenburgs manifestiert sich zudem darin, dass diese einen überproportional hohen Anteil an der Gruppe der Gefährder aufweisen. Als Gefährder gilt nach Definition des Bundestages eine Person, zu der bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen wird. Über die Lage in Brandenburg schreibt Schröter: „Die Zahl der Gefährder, die in der o.g. Zahl enthalten ist, liegt im niedrigen zweistelligen Bereich. Die betroffenen Personen stammen auch hier überwiegend aus dem Nordkaukasus.“
Die Situation ist hochbrisant
Dass Gefährder aus Tschetschenien trotz ihrer geringen Anzahl für ein akutes Sicherheitsproblem sorgen, hat damit zu tun, dass diese im Vergleich zu anderen Islamisten deutlich professioneller agieren und zudem nicht selten über profunde Kampferfahrung verfügen. Aus diesem Grund hatte der Verfassungsschutz Brandenburg bereits 2015 darauf hingewiesen, dass Tschetschenen für ihre ideologische Festigung bekannt seien. Somit darf die Befürchtung, dass bereits eine kleine Gruppe von ihnen dazu in der Lage wäre, erheblichen Schaden in Deutschland anzurichten, als gerechtfertigt gelten.
Auf der besagten Sitzung des Innenausschusses vom 30. März 2017 wies ein Vertreter des Innenministeriums darauf hin, dass durch die vom IS ausgegebene Losung „Schlagt die Ungläubigen, wo immer Ihr sie findet!“ eine gänzlich neue Bedrohungslage entstanden sei. Da sich das Kaukasus-Emirat bereits 2015 zu einer subalternen Zweigstelle des IS erklärt habe, könnten Anschläge in Deutschland künftig nicht mehr ausgeschlossen werden. Dies sei umso mehr der Fall, als die militärische Niederlage des IS in Syrien unmittelbar bevorstehe – eine Prognose, die durch die vor wenigen Tagen erfolgte Befreiung der Stadt Rakka bestätigt wird.
Potsdam steht politisch unter Druck
Dass die Bemühungen der Landesregierung, zu denen auch die am 2. Mai 2017 erfolgte Arbeitsaufnahme des Zentrums zur Unterstützung der Rückkehr (ZUR) gehört, offenbar nicht ausreichen, um die neuralgische Situation in Brandenburg zu entschärfen, zeigt sich daran, dass die Opposition mittlerweile immer drastischere Maßnahmen diskutiert.
Im März 2017 erkundigte sich etwa der CDU-Landtagsabgeordnete Björn Lakenmacher auf einer Sitzung des Innenausschusses, ob Brandenburg bereits Abschiebeanordnungen nach Paragraph 58a des Aufenthaltsgesetzes bei der Bekämpfung islamistisch-terroristischer Gefahren zur Anwendung gebracht habe und verwies im Kontext Niedersachsens auf die Legitimation dieser Maßnahme durch das Bundesverwaltungsgericht.
Ein weiterer Grund dafür, dass die Migration aus Tschetschenien als brisant gilt, besteht in den massiven Problemen, die Angehörige des Kaukasusvolkes nach einhelliger Aussage der Behörden auffallend oft verursachen. Wie Minister Schröter berichtete, versagten Tschetschenen den für sie zuständigen Dienststellen besonders häufig die Kooperation, wozu auch die Weigerung gehöre, ihre Kinder fotografieren zu lassen.
Ob es sich dabei um einen Beleg für Hyperreligiosität handelt, bleibt unklar. Fest steht jedoch, dass ultraorthodoxe Muslime das Fotografieren von Menschen ablehnen. Zudem ist unbestritten, dass die für eine Rückführung nötige Ausstellung von Ausweisdokumenten durch dieses Verhalten verhindert wird – eine Maßnahme, die Schröter zufolge nicht selten nur unter Hinzuziehung der Polizei in Amtshilfe durchgesetzt werden kann.
Die Rolle Polens
Schließlich wird die Zuwanderung von Tschetschenen aber auch deshalb mit Argusaugen gesehen, da diese nahezu ausschließlich über Polen erfolgt, wo deren Angehörige ebenfalls in den Fokus der Sicherheitsbehörden geraten sind. Im März 2017 standen in Białystok vier Tschetschenen vor Gericht, denen vorgeworfen wurde, in Asylunterkünften für den IS geworben zu haben. Für den polnischen Sicherheitsexperten Andrzej Mroczek besteht indes kein Zweifel daran, dass tschetschenische Islamisten aus Deutschland und Polen längst über intakte Netzwerke miteinander verbunden sind.
Vor diesem Hintergrund wiegt umso schwerer, dass die Brandenburgische Landesregierung bislang nicht die geeignete Strategie gefunden hat, um angemessen auf die Kriminalität tschetschenischer Migranten zu reagieren. Dabei handelt es sich um einen Befund, der auch für die Justiz gilt. Im Juni 2016 hatte das Landesgericht Cottbus einen Tschetschenen, der seine Ehefrau bei einem Streit zunächst aus dem Fenster gestoßen und ihr anschließend die Kehle durchgeschnitten hatte, nicht wegen Mordes, sondern nur wegen Totschlags verurteilt. Das Gericht argumentierte, der Täter habe aufgrund seiner Herkunft, seines religiösen Bekenntnisses und seines niedrigen Bildungsgrades nicht als Mörder behandelt werden können.
Potsdam ringt um Lösungen
Diese Argumentation ist jedoch paradox. Denn jeder, der die tschetschenische Kultur von innen heraus kennt, weiß, dass eine solche Tat in Tschetschenien einem Selbstmord gleichkommt. Gemäß den Gesetzen des tschetschenischen Gewohnheitsrechts unterliegt ein Mensch, der seine Ehefrau getötet hat, der Blutrache. Ihre bis heute ungebrochene Wirkungskraft ist dafür verantwortlich, dass derartige Verbrechen in Tschetschenien praktisch nicht vorkommen. Die richtige Schlussforderung muss also lauten, dass der Täter, gerade weil er aus Tschetschenien stammt, die Implikationen seines Handelns kannte. Dass er seine Frau dennoch tötete, lässt darauf schließen, dass er sich in Deutschland vor dem Zugriff seiner Landsleute sicher wähnte.
Die obigen Ausführungen bilanzierend, lässt sich sagen, dass die Brandenburgische Landesregierung bei der Eindämmung des Islamismus vor einer äußerst komplizierten Aufgabe steht. Um diese zu lösen, sollte sie die folgenden Maßnahmen umsetzen. Erstens muss sie die Migration aus Tschetschenien regulieren. Dazu gehört, Islamisten und russische Agenten früh zu identifizieren und von der Gruppe der regulären Asylsuchenden zu trennen.
Das Recht durchsetzen
Zweitens muss sie dazu übergehen, rechtskräftige Ausweisungen konsequent umzusetzen. Dabei handelt es sich um eine Notwendigkeit, die auch in der Migrationsdebatte von Bedeutung ist, wie unlängst der Fall der im September 2017 ermordeten Kunsthistorikerin Susanne Fontaine deutlich machte. Ihr Mörder war nicht nur Tschetschene, sondern hätte zum Tatzeitpunkt längst abgeschoben sein müssen. Ebenso klar ist, dass sich der beschriebene Drehtüreffekt nur durch strenge Grenzkontrollen mindern lässt.
Schließlich wird Potsdam nicht umhin kommen, endlich zu einem härteren Umgang mit kriminellen Asylsuchenden zu finden. Gelingt dies nicht, wird die innere Sicherheit Brandenburgs weiteren Schaden nehmen. Auch dürfte sich bewahrheiten, was das Brandenburger Landesamt für Verfassungsschutz hinsichtlich der negativen Effekte, die Zuwanderung aus Tschetschenien generiert, wie folgt formuliert: „Das ist besonders verwerflich, da echte Flüchtlinge diskreditiert und möglicherweise unter Generalverdacht gestellt werden.“